Zur Geschichte der Alten- und Krankenpflege in Angermund
Von Prof. Dr. Richard Neveling - Aus dem Angermunder Jahrbuch 1995
Obwohl Angermund im 13., 14. und 15. Jahrhundert eine überregionale Bedeutung hatte, blieb der Ort selbst ein relativ kleines Gebilde, welches um 1500 nur aus einer parallel zur Anger führenden Straße mit ca. 40 Häusern bestand. Beherrscht wurde Angermund durch die Burg (1188 als castrum Angermont erwähnt), auch „Kellnerei" genannt, die von Erzbischof Phillip von Heinsberg zu seinem Lehnsschloss gemacht, vorher schon von Kaiser Otto I. und Friedrich I. als Jagdschloss benutzt wurde.
In der Literatur gibt es zahllose exakte Beschreibungen über eine eigene Gerichtsbarkeit, über Tätigkeiten des auf der Burg wohnenden Rentmeisters (auch „Kellner“ genannt), der die Dienstleistungen, den „Zehnten“, Naturalabgaben und Zinsen in seinem Rentbuch vermerkte. Es gab damals sogar schon einen Wundarzt und eine Hebamme.
Aber nirgends finden sich Hinweise für eine Armen – oder sogar Altenfürsorge. Auch in der sehr sorgfältigen Chronik des Angermunder Pfarrers Heinrich Bispels für die Jahre 1784-1808 gibt es keinen Vermerk über eine Betreuung alter Menschen. Vielleicht ergab sich auch keine Notwendigkeit einer Altenfürsorge, da bei der überwiegend bäuerlichen Bevölkerung der älter werdende Mensch im Verband der meist größeren Familie versorgt wurde.
Erst mit der zunehmenden Verstädterung und den damit verbundenen kleineren Wohnungen, sowie kleiner werdenden Kinderzahlen entstanden die Probleme der Isolierung alter Menschen, die bei zunehmendem körperlichen Verfall oder sogar Krankheit immer weniger Fürsorge bzw. Pflege erhielten.
[…]
1856 endlich entstand in Angermund das Marienkloster, für welches der damalige Reichsgraf August von Spee Grundstück und Unterkunft zur Verfügung stellte. Er bat gemeinsam mit dem Pastor Bartolomäus Esser das Erzbischöfliche Generalvikariat in Köln, Ordensschwestern nach Angermund zu entsenden. Graf von Spee hatte sich verpflichtet, für den Unterhalt der Schwestern aufzukommen. Erzbischof Kardinal von Geißel gab am 9.1.1857 die Erlaubnis, dass drei Schwestern vom Orden der Armen Dienstmägde Jesu Christi aus dem Mutterhaus in Dernbach in Angermund ein Kloster eröffneten. Am 27.2.1857 bezogen die ersten Schwestern das Kloster. Es stand dort, wo sich heute auf der Graf-Engelbert-Straße das Seniorenwohnheim befindet.
Die Schwestern waren anfangs in der ambulanten Krankenpflege sowie im Schuldienst tätig und übernahmen 1863 auch die Betreuung von Waisenkindern sowie schwer erziehbaren Kindern, die in ihr Kloster eingewiesen wurden und die Betreuung alter Menschen im eigenen Altenheim.
[…]
1914 musste das Kloster 16 Betten für verwundete Soldaten vorhalten.
Seit den 20er Jahren beteiligte sich auch die Kommune mit verschiedenen Zuwendungen für das Kloster, die ambulante Krankenpflege und den Kindergarten.
1932 konnte das 75jährige Bestehen des Klosters gefeiert werden.
Die Zahl der Schwestern hatte sich inzwischen auf 7 erhöht. Wenn auch in den folgenden Jahren die Betreuung von 40 Kindern im Jahre 1945, ab 1959 schon als Tagesstätte mit 75 Kindern den Schwerpunkt der Arbeit bildete, wohnten im Kloster Anfang der 50er Jahre 50 alte Menschen, in der Hauptsache Evakuierte und Vertriebene, die von den Schwestern fürsorglich betreut wurden.
Es war dann abzusehen, dass die ständig größer werdende Aufgabenstellung von den Schwestern nicht mehr bewältigt werden konnte. Nachwuchs fehlte und Lücken durch Alter, Krankheit und Tod konnten nicht aufgefüllt werden, so dass die Schwestern 1963 das Kloster aufgeben mussten.
[…]
Aus: Angermunder Jahrbuch 1995
___________________________________________________________________________
Zur Geschichte der Gemeinnützigen Stiftung für Seniorenbetreuung Angermund e.V.
1966 befasste sich die Stadtvertretung mit der Frage der Errichtung eines Altenwohnheims auf dem Grundstück des ehemaligen Marienklosters.
Die Gemeinnützige Stiftung für Seniorenbetreuung Angermund e.V. wurde 1967 aus einer Initiative sozial engagierter Angermunder Bürger, mit Hilfe des Roten Kreuzes, der Stadt Angermund, der Gemeinde Wittlaer, des Amt Angerlandes sowie des Grafen Spee gegründet und ein neues Altenwohnheim mit Altentagesstätte und Krankenpflegestation gebaut.
Der Namenszusatz „vormals Marienkloster“ soll die Nachwelt daran erinnern, dass an dieser Stelle seit 1856 im ehemaligen Marienkloster immer soziale Dienste am Menschen geleistet wurden.
Die Seniorenstiftung ist im Vereinsregister eingetragen. Der Vorstand ist von Beginn an ehrenamtlich tätig. Satzungsmäßiger Zweck ist die Errichtung und der Betrieb von Seniorenwohnungen, Begegnungsstätten sowie einer Sozialstation.
Leitlinie war seit der Gründung in allen Tätigkeitsbereichen und Unterstützungsangeboten die „Hilfe zur Selbsthilfe“ mit der Zielsetzung, den Menschen im Alter ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben in der eigenen Häuslichkeit zu ermöglichen.
Im historischen Ortskern von Angermund, das seit 1978 durch kommunale Neugliederung zu Düsseldorf gehört, ist auf einem vom Grafen Spee zur Verfügung gestellten Grundstück ein soziales Netzwerk für Senioren entstanden.
Die Stiftung verdankt ihr Leben über die Jahre hinweg dem engagierten und freiwilligen Einsatz vieler Menschen, die sie mit ehrenamtlicher Arbeit oder Spenden unterstützen.
1969 zogen die ersten Bewohner in das neu gebaute Wohnhaus für Senioren ein. Das Haus wurde mit öffentlichen Mitteln errichtet, daher benötigten die Mieter einen Wohnberechtigungsschein. Diese sozialen Wohnbedingungen wurden bis heute mit einem niedrigen Mietpreis trotz Sanierung und Modernisierung erhalten.
1970 wurde die häusliche Krankenpflege, damals noch als Sozialstation mit einer Gemeindeschwester, gegründet. Diese bekam im Laufe der Jahre noch Helferinnen vom Roten Kreuz hinzu. 1978 wurde die Sozialstation zunächst von den Schwestern des DRK übernommen. Schon damals war es nicht einfach, Schwestern nach Angermund zu bekommen. Auf Initiative des Grafen Spee wurde 1979 ein Hauskrankenpflegefonds gegründet, der die Arbeit der Schwestern absichern sollte und durch den es der Stiftung ermöglicht wurde, 1983 wieder selbst die Pflegestation zu übernehmen und die tätigen Schwestern fest anzustellen. Die Pflegestation hat sich im Laufe der Jahrzehnte personell und fachlich ständig weiter entwickelt. Die ambulante Pflege leistet heute mit Pflegefachkräften in Voll- und Teilzeit fachlich qualifizierte Pflege in Angermund und Umgebung. Seit 2006 gibt es zusätzlich einen Hauswirtschafts- und Betreuungsdienst, der die Kunden auch außerhalb der Pflege in ihrer Häuslichkeit unterstützt.
1971 wurde die Begegnungsstätte, damals Altentagesstätte, eröffnet, die seit Dezember 2008 aufgrund der Neuordnung der Seniorenarbeit in der Landeshauptstadt Düsseldorf als zentrum plus anerkannt ist und gefördert wird. Hier finden eine Vielzahl von Freizeit-, Bildungs-, Kommunikations- und Beratungsangebote zu allen seniorenrelevanten Themen für die Generation ab 55 Jahren statt.
1985 wurde Essen-auf-Rädern gegründet und in Angermund, Kalkum und Einbrungen angeboten. Täglich (auch an Sonn- und Feiertagen) brachte ein ehrenamtlich tätiges Team eine warme Mahlzeit ins Haus. Im Mai 2017 wurde auf Grund veränderter organisatorischer Bedingungen der Mahlzeitendienst eingestellt. Nach einer vorübergehenden Kooperation mit der Theodor-Fliedner-Stiftung wurde auch diese Küche 2020 geschlossen.
Seit 2009 wird einmal wöchentlich für drei Stunden Betreuung für Demenzerkrankte in einer BEAtE-Gruppe („Betreuungsgruppen zur Entlastung pflegender Angehöriger als trägerübergreifende Einrichtung“) angeboten. Das Angebot richtet sich an die Erkrankten und ihre pflegenden Angehörigen und soll Entlastung in der anstrengenden häuslichen Pflege bieten.
2017 konnte das 50jährige Jubiläum der Seniorenstiftung gefeiert werden.
___________________________________________________________________________
„Nichts ist so beständig wie der Wandel.” Heraklit von Ephesus (etwa 540–480 v. Chr.)
Dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist, kann man wohl nicht abstreiten. Doch unsere ganze Gesellschaft ist einem ständigen Wandel unterzogen, auch wenn nicht jeder bestrebt ist, sich so schnell wie möglich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Viele haben das Gefühl, dass dieser Wandel sich beschleunigt, denken manchmal darüber nach, wie sie mit diesem Wandel Schritt halten können. Im Laufe von 50 Jahren war die Stiftung mit ihren verschiedenen Bereichen vielen gesellschaftlichen, organisatorischen und gesetzlichen Veränderungen ausgesetzt. Über alle Jahre haben die Verantwortlichen in der Stiftung immer versucht, Traditionen zu wahren und sich dem Wandel trotzdem nicht zu verschließen, damit die Stiftung auch weiter eine Zukunft hat.
Unser Ziel ist es, auch in Zukunft die Menschen mit unserer Arbeit zu unterstützen. Gute Gewohnheiten beizubehalten, aber auch neue Wege zu gehen, ist kein Widerspruch. In diesem Sinne werden wir uns auch zukünftig den Herausforderungen des Wandels stellen.